Interview
Stereotype beeinflussen den Zugang zu MINT-Bildung
Am 23. Januar 2025 hatte ich die Gelegenheit, beim 1. Netzwerktreffen des MINT-Clusters SaarMINT an der Universität des Saarlandes über ein Thema zu sprechen, das mir besonders am Herzen liegt: stereotypefreie Kommunikation für Mädchen, junge Frauen und „Easy-to-Ignore“-Gruppen im Kontext MINT.
Im Interview mit Moderatorin Isabel Sonnabend habe ich vor allem die Rolle von Design beleuchtet – wie visuelle Gestaltung unsere Wahrnehmung von „typisch weiblich“ und „typisch männlich“ prägt und welche Auswirkungen das auf das Selbstvertrauen und die Berufswahl junger Menschen hat.
Stereotype in MINT und ihre Folgen
Ich sehe Design als Werkzeug, das unsere Meinungen und Handlungen maßgeblich prägt. Es geht dabei nicht nur um ästhetische Oberflächen oder luxuriöse Produkte: Design gestaltet die soziale Welt, macht Informationen zugänglich und beeinflusst Verhalten, Werte und Selbstwahrnehmung. Schon in Kindheit und Jugend erleben wir das: Farben, Spielzeug oder Kleidung prägen, welche Rollen wir für uns selbst als passend empfinden – Rosa für Mädchen, Blau für Jungen. Solche scheinbar kleinen Entscheidungen wirken sich langfristig auf Interessen und Berufsperspektiven aus.
In MINT-Bereichen zeigt sich besonders deutlich, wie stark Stereotype wirken. Mädchen werden oft auf Pflege, Schönheit oder soziale Rollen vorbereitet, während Jungen in technische oder „heldenhafte“ Rollen gedrängt werden. Studien belegen, dass die Art, wie Berufe bezeichnet werden – weiblich oder männlich – schon Kindern signalisiert, welche Tätigkeiten für sie bestimmt sind. Die Folge: Mädchen trauen sich oft schwierige Berufe weniger zu und Jungen hingegen fühlen sich bestätigt, technische Wege einzuschlagen.
Design bewusst einsetzen
Design kann entmündigen, wenn Menschen unbewusst in Rollen gedrängt werden, die sie nicht selbst gewählt haben. Gleichzeitig kann es die Selbstbestimmung stärken, wenn wir Perspektivenvielfalt berücksichtigen. Neutralität und Inklusivität heißt, möglichst wenige auszuschließen und Menschen durch Angebote in ihren eigenen Interessen zu bestärken – ohne stereotype Vorgaben. Sprache, Farbauswahl, Bildwelten oder Formensprache sind zentrale Werkzeuge für eine gendersensible Kommunikation.
Netzwerke gestalten: Vielfalt von Anfang an
Für Netzwerke wie SaarMINT gilt: Empathie, Partizipation und Diversität sind entscheidend. Es geht darum, Strukturen zu schaffen, die Vielfalt sichtbar machen und Chancengerechtigkeit ermöglichen. Dabei sollten wir nicht nur auf die „klassischen“ Zielgruppen schauen, sondern auch jene einbeziehen, die sonst leicht übersehen werden – die sogenannten „Easy-to-Ignore“-Gruppen. Lösungen müssen verständlich, positiv und zugänglich sein, um echte Teilhabe zu ermöglichen.
Design kann soziale Normen hinterfragen und Barrieren abbauen. Es eröffnet Perspektiven für Mädchen, junge Frauen und alle anderen, die sich in MINT entfalten wollen – frei von stereotypischen Zwängen. Für mich persönlich ist es ein Ansporn, in meiner Arbeit nicht nur ästhetisch zu gestalten, sondern auch inklusiv, reflektiert und empowernd. So können wir gemeinsam dazu beitragen, dass junge Menschen selbstbestimmt ihre Interessen entdecken und ihren Weg gehen – mit allen Chancen, die ihnen zustehen.
23.01.2025
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